J. S. Bach
Weihnachtsoratorium 4 - 6
Pauluskirche Ulm
Sonntag, 3. Dezember 2017, 18.00 Uhr
Weihnachtsoratorium in der Pauluskirche: Glücklich gerettete Oratorien-Darbietung
Südwestpresse vom 05.12.2017 (Burkhard Schäfer)
„Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage“ – wohl jeder, der ein Herz für die
stimmungsvollste Zeit der Christenheit hat, kennt diese Zeile und die
dazugehörige Melodie. Sie markiert den Beginn von Bachs „Weihnachtsoratorium“,
das man mit Fug und Recht als musikalisches Weltkultur-Erbe bezeichnen kann. Für
viele Menschen auf dem ganzen Erdkreis ist die Advents- und Weihnachtszeit ohne
diese frohlockenden Klänge nicht denkbar.
So gehört eine gehörige Portion
Wagemut dazu, die berühmten Teile 1 bis 3 des Oratoriums, in denen die drei
Weihnachtsfeiertage im Mittelpunkt stehen, am 1.Adventssonntag nicht zu
spielen, sondern stattdessen „nur“ die Kantaten 4 bis 6.
Die Ulmer
Kantorei und das Philharmonische Kammerorchester Ulm unter der Leitung von
Albrecht Haupt hatten diesen Mut – und der wurde in der nicht ganz vollbesetzten
Pauluskirche schließlich auch belohnt. Allerdings stand der Abend zunächst unter
keinem guten „Stern von Bethlehem“, ja sogar geradezu auf der Kippe.
Was
war geschehen? Der Bass Axel Humbert musste seinen Auftritt krankheitsbedingt
ganz kurzfristig absagen. So war buchstäblich Not am Mann. Im Hintergrund wurde
fieberhaft Ersatz gesucht – und in Person von J. Emanuel Pichler, Bass im Chor
des Theaters Ulm, auch rasch gefunden. Pichler war so spontan eingesprungen,
dass ihm keine Zeit fürs Umkleiden mehr blieb und er in Räuberzivil auf die
Bühne kam – woran unter diesen Umständen niemand ernsthaft Anstoß nahm. Gott –
und Pichler – sei Dank: Der Abend war gerettet. Mit einer nur viertelstündigen
Verspätung konnte er feierlich beginnen.
„Fallt mit Danken, fallt mit
Loben, / Vor des höchsten Gnadenthron!“, intonierten Chor und Orchester den
Auftakt des Teils des Weihnachtsoratoriums. Der Schreck steckte den Musikern
zwar in den ersten Takten noch hörbar in den Knochen, doch je mehr das
musikalische Geschehen unter dem Kruzifix von Adolf Hölzel Gestalt annahm, desto
sicherer und souveräner agierten die beiden Ulmer Ensembles.
Für die
solistischen Glanzpunkte sorgten neben Pichler Katarzyna Jagiello (Sopran),
Kinga Dobay (Alt), Benjamin Veil (Echo-Sopran), Conrad Schütze (Orgel) und
herausragend Stefan Frieß (Tenor). Da Pichler zwar auf die Bass-Rezitative,
nicht aber die einzige Bass-Arie des Oratoriums „Erleucht auch meine finstre
Sinnen“ vorbereitet war, wurde diese instrumental gegeben. Der innige Zwiegesang
von Oboe und Cello in dieser Arie begeisterte auch so. Herzlicher Applaus zum
guten, tollen Schluss für diese glücklich gerettete Oratorien-Darbietung.
Kurze Einführung zum Weihnachtsoratorium
Johann Sebastian
Bach (1685-1750)
Dieses umfangreiche Werk hat J. S. Bach 1734 aus sechs
Kantaten zusammengestellt, die er zunächst einzeln für die Feiertage des
Weihnachtsfestkreises komponiert und in den entsprechenden Gottesdiensten
aufgeführt hat. Die meistens zu hörenden, auch von der Ulmer Kantorei öfters
dargebotenen Teile 1 - 3 gehören zu den damals üblichen drei
Weihnachtsfesttagen. Die Teile 4 - 6, die wir in unserem Konzert musizieren,
beziehen sich auf die nachweihnachtlichen Festtage Neujahr, Sonntag nach Neujahr
und Erscheinungsfest (6. Januar). Da diese Termine heute kaum mehr zur
festtäglichen Praxis gehören, hört man sie seltener, obwohl sie genauso kostbare
Kompositionen darstellen wie die Teile 1 - 3.
Kantate 4 beschreibt die
Namensgebung des Jesuskindes und wie dieses Kind unser Leben bestimmen soll. In
den Teilen 5 und 6 erscheinen die Heiligen Drei Könige. Die Falschheit des
Herodes wird entlarvt und wir bleiben durch Jesus behütet: „Was will der Hölle
Schrecken nun, da wir in Jesu Händen ruhn?“ Mit schmetternden drei Trompeten und
Pauken werden wir aus dieser wunderbaren Musik entlassen.
Albrecht Haupt