F. Schubert: Messe C-Dur, Salve Regina
A. Bruckner: Requiem
Pauluskirche Ulm
Sonntag, 9. April 2017, 19.00 Uhr
Ulmer Kantorei begeister mit Bruckners "Requiem" und Schubert-Werken
Südwestpresse vom 11.04.2017 (Christa Kanand)
Stiefkindlich wird Bruckners „Requiem“ im Vergleich zu Mozart, Verdi oder Brahms
vernachlässigt. Umso lobenswerter, dass die stimmprächtig disponierte etwa
80-köpfige Ulmer Kantorei unter KMD Albrecht Haupt es am Palmsonntag neben zwei
selten zu hörenden Jugendwerken von Schubert voller Größe und facettenreicher
Strahlkraft in der wohl wegen des herrlichen Sonnenwetters nur locker besetzten
Pauluskirche zur Aufführung brachte.
Und wieder hatte Haupt eine
glückliche Hand bei der Wahl der jungen formidablen Gesangssolisten: Maria
Rosendorfsky (Sopran), Denise Seyhan (Alt), Stephan Frieß (Tenor) und Santiago
Garzo (Bass) fügten sich mit leuchtender Tonschönheit, ausdruckstief ihre
Partien gestaltend ein. Das erstklassige Philharmonische Kammerorchester Ulm
unter Konzertmeister Eduard Sonderegger sowie Conrad Schütze am Orgelpositiv
standen mit wendiger Noblesse und Elan dem souveränen Altmeister zur Seite.
Allesamt Erfolgsgaranten.
„Dona nobis pacem!“ bekommt in dunklen, von
Gewalt zerrissenen Zeiten eine besondere Bedeutung. Die Bitte um Frieden,
mehrfach von Soli und Chor im „Agnus Dei“ wiederholt, verströmte Zuversicht und
Gottvertrauen.
Wie überhaupt die ganze C-Dur-Messe von Franz Schubert.
Die missa brevis des 25-Jährigen ist mit Trompeten-Glanz eindeutig auf der
Sonnenseite des Lebens angesiedelt. Trotz anfangs intonatorischer Sopranprobleme
in dauerhaft hoher Lage überzeugte der Chor, wenn auch in der halligen
Sakralakustik gelegentlich nicht ganz synchron mit dem Orchester, als
Hauptakteur im Wechselspiel mit den Solisten: kompakte Strahlkraft, fähig zu
dynamischen Feinheiten.
Inniger Schubert-Gesang
Schlichtweg
beglückend brachte Maria Rosendorfsky mit engelsgleich schlankem Sopran und
berührender Innigkeit Schuberts Solo-Mariengesang „Salve Regina“ mit
Streichorchester begeistert applaudiert zu Gehör.
Wohligem Schauder
folgte der Höhepunkt, auch mit Blick auf die Karwoche: Anton Bruckners „Requiem“
– seelischer Aufruhr und stilles Gedenken. Empfindungs- und klangfarbenreich
interpretierte das 110-köpfige Aufgebot, verstärkt von zwei Posaunen, einem
typischen Requiem-Instrument, die spätromantische Totenmesse.
Nach
dramatischen Ausbrüchen im „Dies irae“, dem mächtigen Männerchor („ Hostias“)
und der sonoren Cello-Kantilene im „Benedictus“ wechselte der 35-Minüter von
d-Moll im finalen „Lux Perpetua“ zum tröstlich D-Dur. Langer Beifall und Blumen
nach Momenten der Stille.
Einführung in das Programm
Franz Schubert (1797-1828), der große Melodiker, stellt in seiner C-Dur-Messe
die Vokalfarben von Soloquartett und vierstimmigem Chor in ständigem
Wechselspiel gegeneinander. Als drittes Element trägt der Orchestersatz mit
seiner Gegensätzlichkeit von lyrischen und brillanten Musizierformen zur Aussage
bei. Dieses Werk ist die einzige Messe von seinen insgesamt sechs
Messkompositionen, die zu seinen Lebzeiten im Druck erschien und mehrfach
aufgeführt wurde. Sie gehört zu den vier kleinen Messen im Frühwerk, die er für
den liturgischen Gebrauch in seiner Lichtenthaler Gemeinde geschrieben hat.
Diese Musik der Frühromantik entfaltet ihren Reiz durch die stilistische
Weichenstellung zwischen der ausklingenden Klassik und dem neuen Gefühlsausdruck
der Romantik.
Das solistische .Salve Regina'', ebenfalls ein liturgischer
Text. kann wohl als ein Lieblingsstück vieler Sopransolistinnen bezeichnet
werden.
In der künstlerischen Entwicklung von Anton Bruckner (1824-1896)
stellt das „Requiem" einen Wendepunkt zur musikalischen Großform dar.
Bis
dahin enthält das Frühwerk hauptsächlich kleinere liturgische Gebrauchsmusik. Es
entstand in den Jahren seiner Tätigkeit als Organist an der großen, noch heute
zu bewundernden Barockorgel in der Basilika St. Florian, seiner geistlichen
Heimat, und wurde unter Kennern bald als eine bedeutende Schöpfung des jungen
Lehrerorganisten erkannt. Wie wichtig dem Komponisten das Werk war, erhellt aus
der Tatsache, dass er es sich in seinen letzten Lebensjahren wieder vorgenommen
und Verbesserungen eingetragen hat. Der Text der Totenmesse ist empfindungsreich
musikalisch ausgedeutet und in jeder Aussage nachempfunden.
Im Gegensatz
zur Messe von Schubert fällt die reiche dynamische Abstufung des
spätromantischen Stils besonders ins Gewicht. Eigentlich unverständlich, dass
dieses schöne und inhaltsreiche Werk bis heute so selten aufgeführt wird. Es
steht wohl auch im Schatten des gewichtigen symphonischen Großwerks von
Bruckner.
A. Haupt